Kenneth Oppel: Affenbruder
2015
Der Roman „Affenbruder“ von Kenneth Oppel spielt in den 1970ern und handelt von Ben, dem Sohn eines Verhaltenswissenschaftlers. Ben beschreibt das Leben mit einem Schimpansen, der zu wissenschaftlichen Zwecken wie ein Mensch in Bens Familie aufwachsen soll.
Ben ist dreizehn Jahre alt, als er mit seiner Familie von Toronto nach Victoria umzieht. Grund ist das neue Wissenschaftsexperiment von seinem Vater, einem bekannten und erfolgreichen Verhaltenspsychologen. Im Rahmen das neuen Experiment bekommen sie ein Schimpansen Baby, um ihn wie ein Menschenkind groß zu ziehen. Ziel ist es, dem Schimpansen die Gebärdensprache näher zu bringen, um mit ihm kommunizieren zu können. Zunächst ist Ben nicht sehr begeistert, als er Zan als neues Familienmitglied und Bruder akzeptieren soll. Im Laufe der Zeit baut er eine enge Beziehung zum Schimpansen auf.
Im Verlauf von zwei Jahren schaffen sie es dem Schimpansen viele Zeichen beizubringen und Ben ist richtig stolz auf seinen „kleinen Bruder“. Doch dann muss das Experiment abgebrochen werden, weil sich die Wissenschaftler einig sind, dass Zan nie dazu in der Lage sein würde Sprache zu erlenen. Ben ist bestürzt über diese Entscheidung und auch über die Vorstellung, seinen „kleinen Bruder“ Zan wegzugeben. Es entsteht ein Disput zwischen der Beziehungen die Ben zu Zan hat, aber auch den Anforderungen die Zan als wildes Tier- als Schimpanse- an seine Umwelt hat.
Mich hat der Roman sehr gefesselt. Man kann zu Ben und seinem kleinen Zan eine gute Beziehung aufbauen. Toll ist, dass man in das gesamte Leben von Ben einen Einblick bekommt. Es werden nicht nur die Höhen und Tiefen im Experiment mit Zan aufgezeigt, sondern man bekommt auch die Konflikte mit, in denen sich Ben befindet. So ändert sich für Ben nicht nur die Häusliche Situation, sondern auch die Beziehungen zu seinen Freunden in der Schule.
Schon während das Projekt läuft, beginnt der Leser zu überlegen wie das Experiment wohl ausgehen soll. Immer wieder wird deutlich, was für eine große Kraft der noch kleine Schimpanse Zan aufbringen kann. Teilwiese fragt man sich auch wie verrückt es ist, dieses wilde Tier in Kinderklamotten zu stecken und als Menschenkind zu erziehen. Bens Vater, der Kopf des Projekts, wird hier im Kontrast zu Ben dargestellt. Er will Daten für seine wissenschaftliche Arbeit sammeln und verbringt nur wenig Zeit mit Zan. Als Zan weniger schnelle Fortschritte macht zeigt er sich schnell ungeduldig. Ben hingegen verbringt sehr viel Zeit mit Zan und möchte sichtlich mit ihm in Kontakt treten. Als das Projekt scheitert, wird der Konflikt zwischen dem Wunsch der Menschen Zan als kleinen Menschen zu betrachten, und das artgerechte Halten solcher Tiere deutlich.
Durch den Roman, so hat man das Gefühl, wird dem Leser der Kopf gewaschen. Es wird einem bewusst, dass man als Mensch nicht die Kontrolle über alles haben kann, schon gar nicht über wilde, eigenständige Tiere. Es scheint eine Mahnung auch an jeden Tier Besitzer zu sein, dass ein Tier, ob Haustier oder nicht, auch als solches zu betrachten ist. So hat sich die Situation für die Tiere die wissenschaftlichen Experimenten unterworfen sind seit den 70ern durch Tierschutzverordnungen wesentlich verbessert. Doch kann man festhalten, dass es immer noch Einrichtungen gibt die Tiere nicht Artgerecht halten und behandeln. Viele Tierschützer würden wohl sagen, dass das Scheitern des Experiments schon im Vorhinein klar war und das es eine Schande ist, dass man den Schimpansen so nah bei den Menschen gehalten hat. Dank Ben ist es aber trotzdem möglich sich auch in die andere Seite einzufühlen, der es aufgrund emotionaler Bindung erschwert ist, den Absprung zu schaffen.
Gleichzeitig ist für den Schimpansen Zan durch dieses Experiment der Zugang zu seinen Artgenossen verwehrt worden. Dies führt im Verlaufe des Romans dazu, dass Zan sich nicht in die Rangordnung einer Schimpansen Gemeinschaft integrieren kann.
Recherchiert man über ähnliche Fälle wie Zans Geschichten, erfährt man, dass derartige Handlungsweisen öfter vorgekommen sind, unteranderem auch in Deutschland. Wie zum Beispiel der Fall des Schimpansen Epulu aus dem Zoo des nordrhein-westfälischen Wuppertal. Zwar wurde hier kein wissenschaftliches Experiment durchgeführt, doch auch Epulu wurde von Menschenhand aufgezogen. So wie Zan trug er Windeln und war wie ein normales Menschenkind in die Familie des Zoodirektors integriert.
Der heute 47 Jahre alte Schimpanse lebt nun einsam in seinem Käfig. Nachdem er zu groß und stark wurde konnte er nicht mehr bei Menschen gehalten werden, zu groß wurden die Gefahren für Mensch und Tier. Gleichzeitig kann er aber nicht zurück zu seinen Artgenossen, da er deren Verhalten nicht kennt und verifizieren kann. Daher ist es ihm nicht mehr möglich, sich in die Gruppe seiner Artgenossen zu integrieren. Aber wie in einem Artikel aus „Die Welt“ über Epulus Schicksal aus Wuppertal deutlich gemacht wurde, entsprach das Verhalten der Menschen dem damaligen Zeitgeist. Man war fasziniert von diesem, dem Menschen so ähnlichem Tier. Umso schöner finde ich, dass es einem mit Hilfe dieses Romans möglich ist, Hintergründe darüber zu erfahren, wie so etwas vermutlich abgelaufen sein könnte.
Wie man auf der Internetseite des Autors erfährt, orientierten sich die Recherchen des Autors tatsächlich an zwei Projekten, die zu der Zeit stattgefunden haben: Projekt Nim und Projekt Washoe. Leider sind diese Informationen lediglich auf der Internetseite des Autors publiziert. Ich hätte es schön gefunden, wenn solche Hinweise beispielsweis auch in einem Nachwort enthalten gewesen wären. Dennoch hat mir der Roman von Kenneth Oppel sehr gut gefallen. Es hat einem dazu anregen können, sich selbst über das Thema zu informieren.
Auch wenn das Versuchstier Zan gut behandelt wird, wird einem deutlich das er nicht in die Kleidung und Umgebung eines Menschen gehört. Man kann sich mit den Erfolgen von Zan freuen, aber auch mit den traurigen Tatsachen der Realität mitfühlen.
Clara, 19 Jahre